Der Oberpascha





Hochwohlgeboren Simba gefiel es im November 2018 mit 8 Monaten, uns zu seinen Untertanen zu berufen. Er stammt aus einer Nachbarortschaft, wo er einige Zeit bei einer Frau verbrachte, die ihn einem Bauern aus einer anderen Nachbarortschaft wegnahm, als er ihn und seine beiden Geschwister gerade in einem Sack ersaufen wollte... Zwei Jahre vorher hat sein "Vorgänger"  bei mir ein Krebsleiden leider nicht überlebt und es dauert immer einige Zeit, vom Weggang eines lieben Lebewesens soviel Abstand zu gewinnen, daß man in sich wieder Platz für einen Neueinzug findet.

Simba suchte von anfang an unermüdlich nach einem "Loch nach draußen". Diese Hartnäckigkeit kann nur einem im Freien lebenden Tier zueigen sein. Zwar lebte er eine kurze Zeit bei der Dame im Nachbarort, dort aber mit seinen Geschwistern zusammen, Kleinkindern usw., also einer völlig verschiedenen Umgebung. Hier bei mir hatte er nur Aika, meine schon im höheren Alter befindliche Schäferhunddame, und mich. Er fand hier deshalb ausreichend Ruhe, um sich ausgiebig seinem Ziel, wieder rauszukommen, zu widmen. Anfangs fraß er wie ein Berserker, auch sein für Katzenverhältnisse suboptimales Fell und die selbst für eine junge Katze permanente Unruhe ließen mich vermuten, daß er evtl. Würmer haben könnte, was dann nach einer Kotuntersuchung auch bestätigt wurde. Die nachfolgende Wurmkur beendete dann diesen Spuk, er wurde vom Vielfraß, der alles in sich hineinschlang, zum Feinschmecker... Man weiß, was ich meine... Er hat so seine Vorlieben... Wenn das, was im Napf liegt, nicht nach dem Geschmack des Herrn ist, dann frißt er auch mal einen Tag gar nichts, bis wieder was drin ist, was ihm zumutbar erscheint.

Auch eine schwere Schädelverletzung zwischen den Ohren heilte hier bei mir gar fertig aus. Was da passiert sein könnte, konnte auch der TA nicht klären.

Jetzt, im Sommer 2020, also nach 1 3/4 Jahren bei mir, wurde aus dem Kätzchen mittlerweile eine Katze mit ersten Anzeichen von Charakter - allerdings noch nicht in der richtigen Richtung. Er ist recht jähzornig - wenn er nicht augenblicklich bekommt, was er möchte, wird er stinkig und läuft dann ganz eigenartig mauzend herum und beißt. Richtig. Nicht zwicken. Nein. Richtig kraftvoll Beißen und dabei versuchend, die Bißstelle zu einer richtigen Wunde aufzureißen. Man glaubt kaum, wieviel Kraft in Katzenkiefern steckt. Am Anfang weiß man gar nicht, was da jetzt auf einmal los ist, bis man ihn zunächst einmal abgeschüttelt hat. So etwas habe ich noch nicht erlebt, er ist jetzt meine 5. Katze... Er tut dies auch beim Schmusen, d.h. ein richtiger Schmuser ist er eigentlich nicht, vielmehr ein sporadischer Blitzschmuser. Das heißt, er kommt gelegentlich, legt sich auf einen Arm und möchte laut schnurrend gestreichelt werden. Er sieht einen dabei zum Steinerweichen an und maunzt gaaanz klein und man kann da natürlich nicht "nein" sagen. 15 Sekunden später ist diese Phase allerdings vorüber, er möchte nun nichtmehr gestreichelt werden und nur noch im Arm liegen. Wenn man da seine Gedanken nicht lesen kann und sofort, d.h. im gleichen Wimpernschlag, umsetzt, kommt wieder dieser seltsame Maunzer und ohne Übergang der Biß in die Hand, in den Arm - egal. Manchmal auch vom Boden aus in die Wade, er springt einen dann von hinten an und beißt sich fest. Eine intensive persönliche Beziehung, wie ich sie bisher von Katzen gewohnt war, sieht irgendwie anders aus. Vielleicht ist dieses Verhalten auch seinem eigentlich weitgehend unbekannten Vorleben geschuldet. Auch die Tatsache, daß er nackte Haut meidet wie die Pest, z.B. wenn ich ein kurzärmeliges oder gar kein Hemd anhabe, ist mir unerklärlich. Er macht dann sehr deutlich erkennbar, einen Bogen um mich,

Mittlerweile wurde er kastriert in der Hoffnung, daß ihn dies etwas ruhiger werden läßt. Aber weit gefehlt... Man kennt sich aber mittlerweilen und ich weiß sein Verhalten besser einzuschätzen und so derart freudlose Momente deutlich zu reduzieren. Eine kleine Kinderwasserpistole unterstützt das Zusammenleben. Wenn er sie sieht, ist er urplötzlich lammfromm.

Natürlich könnte ich ihn, wie von ihm gewünscht, auch raus lassen. Aber ich scheue noch davor zurück. Lilly, seine Vor-Vorgängerin wurde gut 50m vom Haus entfernt vom Jäger erschossen, Tiger, sein Vorgänger, kam immer wieder mit schweren Wundverletzungen nach Hause, die auch nach Aussagen des Tierarztes manchmal aussahen, wie geschnitten... Ich weiß es nicht. Die Menschen sind schlecht.

Nun steht hier der Herr Baron auf der Matte und will auch wieder raus... (Erschwerend kommt noch hinzu, daß draußen das Vogelhäuschen steht, in dem das ganze Jahr über gefüttert wird - obwohl ich auf dem Lande am Ortsrand wohne, gibt es nichtmehr so viele Vögel hier bei uns (Wieder ein anderes Thema - man hilft, wo man kann).

Neben zwei Katzenmöbeln für den Innenbereich (ein raumhohes, fest an der Wand verankertes, Kletter- und Höhlendingens (,das er freundlicherweise völlig ignoriert)  und ein kommodenhohes "Ruhemöbel" mit Treppe und Höhlen, beides aus stabilen und schönen unbehandelten Multiplex-Platten,) hab' ich ihm eine kleine Außenvoliere gebaut und mit Stämmen und Ästen garniert und über die Schlafzimmerterrassentür und eine Katzenklappe zugänglich gemacht, was von ihm auch sehr gut angenommen wird. Hier läßt er auch sehr gerne seine Kräfte spielen. Man meint mitunter, er reißt das eigentlich recht stabile Teil jetzt gleich in 1000 Stücke... Derzeit bin ich darüber, ihm aus zwei großen (10x2.5m) Netzen einen Zugang zur Terasse und zu einem Teil des anliegenden Gartens zu schaffen, also eine Art sehr große Voliere. Das wird seinen Freiheitsbestrebungen vielleicht etwas eher entsprechen.

Ansonsten kann er natürlich im ganzen Haus hin, wo er will, ausgenommen in der Küche auf Arbeitsplatte und Herd. Das hat ihm die Wasserspritzpistole gut beigebracht und er hält sich auch bindend dran. Er macht von diesen seinen Möglichkeiten auch ausgiebig Gebrauch und rennt in seinen Aktivitätsphasen frühmorgens (ab Sonnenaufgang) und spätabends (bis gegen Mitternacht) oft wie ein Verrückter quer durchs Haus, Hindernisse gibt es dabei für ihn keine, manchmal auch "full speed" gegen das verriegelte und stabile Insektengitter. Das gibt Schläge, das man sich wudnert, daß dieses filigrane Alu-Insektengitter das aushält.... Soll er machen... Es ist eine intensive Freude, seine wohl derart zur Schau gestellte Lebensfreude zu sehen.


Mit Aika kam er von der ersten Minute an blendend zurecht. Keinerlei Bösartigkeiten von einer der beiden Seiten - das war ja die große Unbekannte: Wie wird sich Aika mit ihm und er sich mit ihr vertragen? Schlechtestenfalls, also wenn die beiden gar nicht harmonisiert hätten, hätte das für ihn auch das vorzeitige "Aus" bei mir bedeuten können. Aber dankenswerter Weise gab es überhaupt keine Probleme. Zu große Frechheit beim Drauf- und Drüberspringen quittierte Aika mit ein paar Luftschnappern und das hat er dann auch gleich verstanden. Er durfte sich sogar zu ihr in den Korb legen und mit ihr kuscheln und ruhen - dieses Vergnügen wurde mir selbst aber von seiner Seite aus bisher noch nicht zuteil... Leider wurde diese beginnende Freundschaft zwischen ihm und Aika durch ihren Tod beendet.



Tiger

Mehr Fotos folgen noch, zur Zeit überwiegt noch der Schmerz über Aikas Ableben.

Sommer 2020. Mein Süßer ist nach wie vor ein wilder Teufel. Seine Übungen zur Leibesertüchtigung (Rennen wie ein Verrückter, Spielen mit allem Möglichen, manchmal sogar mit mir) hält er nach wie vor ausgiebig ab. Das Kastrieren ist verhaltensmäßig relativ spurlos an ihm vorüber gegangen - von wegen und "da werden sie ruhiger"... Allerdings hat er wenigstens seine gröbste Unart, das Beißen soweit abgelegt, daß er es nur noch selten und dann sehr abgemildert und -man merkt es genau- sehr kontrolliert einsetzt. Es fließt bei mir deutlichst weniger Blut. Mittlerweile ist das, man könnte schon fast "Knabbern" sagen, auch Bestandteil des Spielens geworden. Da ich von "etwas großzügiger Gestalt" bin, kommt er abends, quasi nach seiner getanen Arbeit, mittlerweile zu mir und legt sich auf meine Brust zum Schmusen, Streicheln und manchmal auch zum Fellbürsten, wovon er aber noch gar nicht recht überzeugt ist.

Sein Feinschmeckertum hat er weiter entwickelt und das Einführen neuer "Speisen" muß sehr wohlüberlegt geschehen. Denn eigentlich verhält er sich da kompromißlos konsequent: Entweder es schmeckt - oder nicht. Was nicht schmeckt, wird völlig ignoriert, und wenn er auch dann gar nichts anderes bekommt. Zwei Tage dauerte der letzte und ausgiebigste Test. Die neue Futtersorte schmeckte nicht, also frißt er sie nicht. Unter keinen Umständen. Lieber hungert er - was ihm aber aufgrund seiner großzügigen Figur mal einen Tag oder in diesem Fall zwei Tage lang auch nicht schadet. Da leide ich dann mehr als er...

Wenn es allerdings schmeckt (z.B. frische Hähnchenherzen und -mägen, gefrorene Eintagsküken), dann mag der Herr am Liebsten gar nichts anderes mehr. Er setzt sich dann, wenn ich in der Küche stehe und irgendwas mache, neben mich, maunzt und meckert und versucht, sich einzuschmeicheln, um an das neue Futter zu gelangen, um das bisherige Normalfutter (2 bestimmte Sorten "Felix") nur noch im Notfall zu fressen. Ich habe den Fehler gemacht und ihm abends ein paar Tage lang eine kleine Portion Hähnchenherzen und -mägen gemischt hingestellt - es war eine Freude, ihn das Fressen zu sehen... Es war allerdings keine Freude, ihm dieses "Suchtmittel" dann wieder weitestgehend zu entziehen, damit er sein normales Futter wieder fraß.

Seine beiden "Vorgängerkatzen" waren nicht annähernd so kompromißlos konsequent...

Ich möchte mir wieder einen Hund anschaffen, damit auch er nicht zu lange ohne weiteres Haustier ist und vielleicht einen Neuzugang ablehnt. Ich bin gespannt... Mit Aika kam er ja blendend zurecht.

Alles in Allem hat er sich zu einem stattlichen Rabauken mit etlichen liebenswerten Eigenheiten entwickelt, der sogar -man höre und staune- zuverlässig auf seinen Namen und sehr gut auf "Nein" und "Komm her" hört. Sein Verhalten ist nichtmehr das eines wilden, unüberlegten Jungkaters, der alles für grenzenlos hält, sondern das eines überlegenden und vorausschauenden Katers geworden, der recht gut erkennt, was wann möglich ist und was besser nicht.

Bassd scho...

Ich glaube, "er ist sehr zufrieden mit mir"!




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